Das Finanzgericht Saarland (FG) musste die Frage klären, ob Nachzahlungszinsen gemäß § 233a Abgabenordnung (AO) auf Umsatzsteuer mit dem Unionsrecht vereinbar sind. Insbesondere hatte es zu prüfen, ob das Neutralitätsprinzip anwendbar und verletzt ist bzw. ob die Regelungen gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen.
Im Besprechungsfall wurden im Rahmen einer Steuerfahndungsprüfung für die Jahre 2014 bis 2016 Hinzuschätzungen vorgenommen. Auf dieser Basis erließ das Finanzamt im Jahr 2018 entsprechende Umsatzsteuer- und Körperschaftsteuerbescheide sowie Bescheide über Nachzahlungszinsen gemäß § 233a AO zu diesen Steuern. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren und einer Änderung der Zinsbescheide im Klageverfahren ging es nur noch um die restlichen nach § 233a AO festgesetzten Zinsen zur Umsatzsteuer.
Nach Auffassung des FG verstoßen die Vorschriften über Nachzahlungszinsen gemäß § 233a AO bei Zinsen, denen Hinzuschätzungen zugrunde liegen, nicht gegen europarechtliche Grundsätze. Der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer sei zwar prinzipiell auch auf die Zinsvorschriften anwendbar. Da der Unternehmer durch die Abschöpfung des Liquiditätsvorteils jedoch nicht belastet sei, sei dieser Grundsatz im Fall der Nachzahlungszinsen nicht verletzt.
Die Zinsvorschriften seien zwar nicht schon deshalb mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar, weil das deutsche Verfahrensrecht die Möglichkeit von Billigkeitsmaßnahmen vorsehe. Sie stünden jedoch zumindest insoweit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht entgegen, als bei der Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit bei der Bemessung eines Ausgleichs des Liquiditätsvorteils europarechtliche Maßstäbe gelten würden. Zudem seien bei der Frage eines milderen Mittels in Bezug auf die Zinsbelastung auch andere Renditemöglichkeiten von Kapitalüberlassung in Betracht zu ziehen.
Hinweis: Zur Unionsrechtswidrigkeit hatte Mitte 2023 auch das Finanzgericht Düsseldorf zu entscheiden. Insoweit sind aktuell beim Bundesfinanzhof (BFH) sowohl ein Beschwerdeverfahren als auch ein Revisionsverfahren anhängig. Im Urteilsfall aus dem Saarland wurde die Revision beim BFH zwar zugelassen, aber offenbar nicht eingelegt.
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